Dozentin: Dr. Beate Eichhorn

Termin: Do, 02.10.2014
von 8.30 bis 12.00 Uhr
Fit-Kom, Jahnstr. 9, 74354 Besigheim

Kosten: € 15 und für Furiosa-Mitglieder € 13

Warum beschäftigen sich heute kritisch emanzipierte Frauen mit der Geschichte des Wagner-Clans. Im Februar 2014 ging das ZDF mit der Verfilmung des „Wagner-Clans“ der Frage nach, in der die Perspektive von Cosima Wagner, in zweiter Ehe verheiratet mit Richard Wagner, ausgeleuchtet wurde.
Eine Frau bürgerlicher Kreise, die ihren Mann, der 1883 starb, um fast fünfzig Jahre überlebte (sie starb 1930) vergötterte laut Darstellung des ZDF den Meister über seinen Tod hinaus.

Das Seminar gliedert sich in mehrere Aspekte.

1. Das Leben von Richard Wagner wird dahingehend thematisiert, als dass er als Zeitgenosse der deutschen 1848-iger Revolution und der darauf folgenden Nationalstaatenbildung den Anspruch erhob, die von ihm geschaffene Musik in politischen Kontext zu stellen, womit im zweiten Schritt Wurzeln für die spätere Rezeption Wagners zur Zeit des Dritten Reiches ausgemacht werden sollen.
2. Das musikalische Werk von Wagner, das neben Instrumentalkompositionen primär unter dem Aspekt der langfristigen Entwicklung von der romantischen Oper zum Musikdrama stand, soll in Kontext gestellt werden zum Werk von Musikern, die ihn beeinflussten, speziell Ludwig van Beethoven. Dabei wird an Hand von Wagners Werk im Rahmen von Oper und Musikdrama auf den fiktionalen Ausdruck der weiblichen Rollen/Figuren eingegangen. Stand Wagner in der Tradition des patriarchalischen Zeitgeistes des 19. Jahrhunderts? Durchzog dieser immer noch (im Rahmen des Bürgertums) die Schicht, zu der Cosima Wagner im zwanzigsten Jahrhundert zählte, die nicht von ihrem verstorbenen Mann lassen konnte?
3. Wagners szenisches Werk, in dem dem komplexen Weltbild des kolonialistischen 19. Jahrhunderts entsprechend, der Bogen von der antiken Götterwelt zum Schicksal/zur Psyche geschlagen wurde, stand vor dem Hintergrund der musikalischen Umsetzung des antiken Bühnenablaufs. Während im antiken Drama dargestellte Einzelschicksale vom Chor kommentiert wurden, übernahm Wagners Orchester die Funktion des antiken Chores, das musikalisch die psychologischen Hintergründe des Bühnengeschehens ummalte und mit Hilfe des Leitmotivs in Bewusstsein und Unbewusstsein brachte. Somit ist unter Berücksichtigung der griechischen Tragödie die Monumentalität von Wagners Werk zu thematisieren und zu analysieren, was dem Zeitgeist späterer Rezipienten, s. NS-Zeit entgegen gekommen sein mag.So war auch Wagners Idee der Festspiele, die 1876 mit der Uraufführung vom „Ring der Nibellungen“ eingeweiht wurden bereits ein nationalpolitisches Ereignis.
4. Welche Philosophen korrespondierten mit Wagners Werk, s. Nietzsche, Adorno, welche gesellschaftlichen und politischen Impulse ergaben sich in Hinblick auf die spätere NS-Zeit, vor deren Hintergrund Wagners Werk speziell ausgeleuchtet werden soll. In wie fern bezogen gegensätzliche Positionen, s. das Hitler-Regime und das Israel der Nachkriegszeit Stellung zu Wagners Werk, das dem darwinistischen Denken des 19. Jahrhunderts entsprechend antisemitische Züge aufwies.

Das Seminar richtet sich an die Teilnehmer/innen, sich kritisch mit Wagner und dessen Rezeption auseinander zu setzen, um kulturpolitische, kulturhistorische und kulturphilosophische Konsequenzen aufzudecken, was im Vortrag, während der Gruppenarbeit und in der Diskussion geschehen soll.

Dr. Beate Eichhorn