Bis vor kurzem galt Neo Rauch aus Leipzig als ein ganz großer, wenn nicht der wichtigste Maler unserer Zeit. Nun bröckelt die Fassade. Just zu seinem 50. Geburtstag am 18. April melden sich Kritiker lautstark zu Wort und zerlegen den Künstler und sein Werk mit bösen Worten. Womit hat Neo Rauch diese Häme verdient? Sind […]

Bis vor kurzem galt Neo Rauch aus Leipzig als ein ganz großer, wenn
nicht der wichtigste Maler unserer Zeit. Nun bröckelt die Fassade. Just
zu seinem 50. Geburtstag am 18. April melden sich Kritiker lautstark zu
Wort und zerlegen den Künstler und sein Werk mit bösen Worten.
Womit hat Neo Rauch diese Häme verdient? Sind alle neidisch, weil seine
Bilder sechsstellige Summen erzielen? Weil er einen Porsche fährt und
mit der Kanzlerin plaudert? Wohl kaum, da gibt es teurere und reichere
Künstler. Muss einfach jeder, der auf der Leiter nach oben gestiegen
ist, auch wieder runterfallen? Oder sind es wirklich seine Bilder, die
das Publikum so entzweien. Diese perfekt gemalten Werke, fast
altmeisterlich schön, aber doch so düster, so bedeutungsschwer, so
altmodisch, dass viele es nicht aushalten können.
„Wird sein Ruhm von Dauer sein?“, fragt das Kunstmagazin „art“
deshalb scheinheilig. Und versucht eine Einordnung: Ist Neo Rauch so
bedeutend wie Raffael und Picasso? Oder doch nur eine
Zeitgeist-Erscheinung? Womöglich wurde er nur berühmt, weil er nach der
Wende die Sehnsucht der Sammler nach „Ostkunst“ befriedigte. Vor allem
die US-Amerikaner riss er damals zu Begeisterungsstürmen hin, für sie
war er ein wundersames Wesen aus einer anderen Welt. Einer, der malte in
Zeiten der Foto- und Videokunst. Der charmant und doch ein wenig
schüchtern war und dazu noch Ossi – ein Exot im Kunstbetrieb, damals,
vor fast 20 Jahren, als alles anfing mit Neo Rauchs Karriere.
Und was noch vor kurzem ein Plus war, seine
Heimatverbundenheit, ist nun zum Vorwurf geworden. Neo Rauch ist immer
in Leipzig geblieben und hat es gewagt, sich auf seinen Geburtstort und
die Landschaft drum herum zu beschränken und alle Angebote aus New York
oder London abzulehnen. Er hat nicht mitgespielt im Karussell des
Kunstbetriebs. Und dreht sich nun, so der Vorwurf, nur noch im Kreis,
erstarrt in seiner immer gleichen, düsteren Malerei.
Ärgert sich Rauch über sowas? Ja, sehr sogar. Er sehe sich „Anwürfen und
Dackelbissen ausgesetzt“, sagte er. Am liebsten würde er den Kritikern
eins auf die Nase geben, gibt er im /stern/-Interview zu. Macht er aber
dann doch nicht. Sondern malt lieber weiter. Zum Beispiel
„Gewalttätigkeiten, die unmittelbar auf solche Schmieranten
zurückgehen.“ Und in zehn Jahren ist sowieso wieder alles anders.
Artikel von Anja Loesel